Vorträge, Workshops und künstlerische Erfahrungen an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter bei Bonn: Unter dem Thema „Gesellschaft neu denken – Auf dem Weg in die Sinngemeinschaft“  entwickelte das Institut für Sozialorganik am 14. November 2019 auf seiner Jahrestagung mit zahlreichen Gästen und Besuchern Ideen für die sinnvolle Neugestaltung unserer heutigen gesellschaftlichen Verhältnisse. 

Wie können Veränderungsprozesse zu einer nachhaltigen Wirtschaft angestoßen werden? Wie müssen wir das Wirtschaftsleben heute gestalten, um Freiheit im Geistesleben und Gleichheit im Rechtsleben sicherzustellen? Wie kann hier eine Balance erreicht werden? Wie kann Gesellschaft als sozialer Bewegungsbegriff verstanden werden, für den in steten Prozessen der Neuverhandlung und Neugestaltung immer wieder neue Formen gefunden werden müssen? Wie können neue Formen für ein neues soziales Miteinander gestaltet werden? Fragen, die gemeinsam mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst diskutiert wurden, um Denkanstöße zu finden, wie unsere heutigen gesellschaftlichen Verhältnisse sinnvoll neu gestaltet werden können. Die Tagung bot eine Plattform, die Inspiration und Diskussionsräume ermöglichte und neue Perspektiven auf Wirtschaft und Gesellschaft eröffnete.

Shelley Sacks und Gerald Häfner diskutieren mit Studierenden der Alanus Hochschule.

Die Idee der sozialen Dreigliederung – wider den Primat der Wirtschaft

Prof. Dr. Götz Rehn berichtete zur Eröffnung der Jahrestagung davon, dass Rudolf Steiner bereits vor hundert Jahren mit seinem Konzept der Dreigliederung Ideen zur Neugestaltung der Gesellschaft entwickelt habe. Er habe die Gesellschaft als einen sozialen Organismus betrachtet, in dem die drei Wesensglieder, das Geistes-, Rechts- und Wirtschaftsleben, zusammenwirkten.

Viele unserer heutigen Probleme seien in einem Ungleichgewicht der drei Glieder unserer Gesellschaft begründet: Globale Erwärmung, das Sterben von Meerestieren durch Plastikmüll, Finanzkrisen, Wirtschaftsskandale, Mitarbeiter, die bereits die innere Kündigung eingereicht haben, die Zunahme an Fehltagen wegen psychischer Erkrankungen, Burnout und Boreout … all diese Phänomene zeigten, dass das alte Denkmodell der maximalen Ausbeutung der inneren und äußeren Ressourcen an sein Ende gekommen sei und dass der Primat der Wirtschaft vor dem Sozialen und vor dem Kulturellen großen Schaden anrichte.

Indem wir alles zu einem bloßen Objekt degradierten, über das wir frei verfügen und uns zu Nutzen machen können, und uns selbst als bloße Reiz-Reaktions-Wesen verstünden, verfielen wir einem ungezügelten Materialismus und Konsumismus. Dem stellte Rehn die Betrachtung des Menschen als Ausdruckswesen und freien Schöpfer entgegen, der seine Wirklichkeit selbst kreiere.

Das Geistesleben – das eigene Denken lebendiger machen

Daran schloss Dr. Manon Haccius, Bereichsverantwortliche für Qualitätsmanagement bei Alnatura, mit ihrem Vortrag „Der Mensch als Schöpfer“ an. Womit schöpft der Mensch? Was entsteht im Menschen, das nicht durch Natur da ist? Wie wird das Wollen aus einem selbst hervorgebracht? Haccius bezog sich dabei auf die drei Seelenkräfte des Menschen nach Rudolf Steiner: das Denken, das Fühlen, das Wollen.

Die Fähigkeit des Menschen, Entwicklung zu Gestalten mit der Ausrichtung auf diejenigen Werte, die diese Entwicklung weiterführen, das Wahre, das Gute, und das Schöne, beinhalte in sich einen unsymbolisierbaren Rest, etwas, das sich entzieht, das irritiert, stört, Ablehnung hervorruft, sowie die Möglichkeit zu Scheitern und Fehler zu machen. Dies mache gerade die Freiheit des Menschen aus.

Im Zeitalter des Überwachungskapitalismus und der Datensammelwut stünde diese Freiheit jedoch auf dem Spiel: Algorithmen verhinderten Kreativität; Fehler und Zufälle würden systematisch ausgemerzt, um Risiken zu vermeiden.

Haccius plädierte dafür, das eigene Denken beweglicher und lebendiger zu machen, um nicht diesem mechanistischen Menschen- und Weltbild zu verfallen. Dazu geeignet seien etwa das zweckfreie und absichtslose Spiel, Poesie, das Spiel mit Worten, das Groteske, Kunst und die Aktivierung von Hirnarealen durch Trance und Meditation, welche so effektiv sein kann, wie bewusstseinserweiternde Drogen.

Das Wirtschaftsleben – wie gelingt sinngeleitete Zusammenarbeit?

In seinem Vortrag über das Wirtschaftsleben fragte Götz Rehn nach den notwendigen Bedingungen zur Verwirklichung der Menschlichkeit und der Vermenschlichung der Wirklichkeit in der Wirtschaft.

Um dies zu verdeutlichen blickt Herr Rehn auf den Wirtschaftsprozess und das Gegenstromprinzip, wie es von Rudolf Steiner entwickelt wurde. Am Anfang eines jeden Wirtschaftsprozesses steht das Naturprodukt, z.B. der Apfel, der am Baum hängt. Dieses Naturprodukt hat an für sich noch keinen wirtschaftlichen Wert. Diesen erhält es erst durch die Anwendung von menschlicher Arbeit (Wert 1), z.B. indem der Bauer den Apfel pflückt und verarbeitet. Durch die Anwendung des menschlichen Geistes auf die Arbeit und den Arbeitsprozess (Wert 2), z.B. durch das Erfinden von Maschinen oder das Optimieren von Prozessen, kann menschliche Arbeit erspart werden. Im Gegenstrom dieser beiden Prozesse bildet sich der wirtschaftliche Wert dieser erbrachten Leistung.

Herr Rehn verdeutlicht mit diesem Beispiel, wie die Idee der sozialen Dreigliederung auch auf das Wirtschaftsleben angewendet werden kann. Hier präsentiert die eigentliche Leistungserstellung, d.h. die Anwendung von Arbeit auf Natur, die wirtschaftliche Dimension. Es geht dabei um die Befriedigung von Bedürfnissen.

Die geistige Dimension ist hierbei immer auf die Leistungserstellung fokussiert, indem menschlicher Geist auf den Arbeitsprozess angewendet wird. Die rechtliche Dimension findet sich in der Frage nach einem gerechten Preis. Die Frage danach, wie heute ein gerechter Preis in globalen Lieferketten möglich ist, ist wohl die wichtigste Herausforderung unseres heutigen Wirtschaftslebens.

Der Mensch habe die Fähigkeit, sich als geistige Individualität zur freien Persönlichkeit entwickeln zu können. Hierin liege die Verwirklichung des menschlichen Potentials.

Da das Wirtschaftliche in unserer Gesellschaft im Wesentlichen die Gesellschaft bestimme, müsse besonders hier bewusst die Sinnfrage gestellt werden: Für wen arbeite ich? Ist für mich in meiner Arbeit die Bedeutung einer Ganzheit fühlbar? Ist mein Tun von Geist erfüllt? Macht das, was ich tue, Sinn? Wie organisieren wir uns? Wie gelingt die Zusammenarbeit? Unterstützend könne hier der Bezug auf das soziale Hauptgesetz Steiners sein, das er 1906 in seinem Aufsatz „Geisteswissenschaft und soziale Frage“ formulierte, das uns bewusst macht, dass wir Menschen im immer für andere tätig sind und auch unsere Bedürfnisse aus den Leistungen der anderen befriedigt werden:

„Das Heil einer Gesamtheit von zusammenarbeitenden Menschen ist um so größer, je weniger der einzelne die Erträgnisse seiner Leistungen für sich beansprucht, das heißt, je mehr er von diesen Erträgnissen an seine Mitarbeiter abgibt, und je mehr seine eigenen Bedürfnisse nicht aus seinen Leistungen, sondern aus den Leistungen der anderen befriedigt werden.“

Es wird zur Herausforderung, uns diese gegenseitige Verbundenheit bewusst zu machen und dann solche Preise zu finden, die für alle Beteiligten gerecht sind.

Jeder Mensch ist ein Künstler – im inneren Atelier neue Formen finden

An den Vortrag von Götz Rehn schloss eine künstlerische Intervention der Beuys-Schülerin Shelley Sacks an. Es müsse eine neue Form der Kunst geben, die es ermögliche, Gesellschaft neu zu gestalten, sagte sie.

Dabei ging Sacks von einem erweiterten Kunstbegriff im Sinne Beuys` aus, wonach der Mensch als Freiheitswesen und als Gestalter seiner selbst und von der Gesellschaft die Möglichkeit habe, soziale Kunst mitzugestalten. Jeder gestalte immer mit den unsichtbaren Materialien Reden, Sprechen und Denken die Gesellschaft aktiv mit, also mit den Materialien für einen neuen Gesellschaftskörper. Dies sei die tiefere Bedeutung des Diktums „Jeder Mensch ist ein Künstler“.

Für Sacks kommen noch Haltungen und Werte dazu. Die innere Haltung, die ein jeder habe, schaffe Form.

Es sei eine neue Form von verbindender Praxis nötig, eine Dialogpraxis mit aktivem Zuhören, um neue Formen des Zusammendenkens und Gestaltens zu schaffen. Damit schloss Sacks an Steiners Idee der sozialen Kunst oder sozialen Architektur an, die er im Jahr 1922 entwickelt hat.

Shelley selbst versucht mit einer neuen Art der sozialen Skulptur, dem Earth Forum, das Teil der University of Trees ist, diese Idee in die Praxis zu bringen und damit zu arbeiten. Die University of Trees ist eine eigene, mobile Universität, von Shelly Sacks gegründet, die jederzeit und an jedem Ort besucht werden kann, indem Menschen zusammenkommen und an den wichtigen Fragen der Gegenwart arbeiten, um eine menschenwürdige Gestaltung der Zukunft zu ermöglichen.

Der erste Schritt dabei sei es, den eigenen inneren Haltungen durch bildhaftes Denken und mithilfe von Imaginationen zu begegnen. Durch die Schau nach innen, ins eigene innere Atelier, durch synthetisches und intuitives Denken im Sinne Goethes finde man einen Weg, die eigenen inneren Haltungen zu finden.

Der nächste Schritt sei es, die dabei entstandenen Bilder und Erkenntnisse mit einer anderen Person in einem Prozess des aktiven Zuhörens zu teilen. Das Atelier entstehe nun zwischen den Menschen.

Im dritten Schritt würden alle Bilder, Erkenntnisse und inneren Haltungen einer Gruppe von Menschen, z.B. von allen Teilnehmern einer Konferenz, eingesammelt.

Durch die kollektive Intelligenz und Imaginationskraft der Gruppe könne etwas ganz Neues entstehen, oftmals entstünden so sogar Lösungsvorschläge für komplexe gesellschaftliche Probleme.

In ihrer künstlerischen Intervention demonstrierte Shelley Sacks nun, wie dieser Prozess abläuft.

Kunst sei mehr als bloße Diskussion zwischen den Menschen einer Gemeinschaft, es gehe vielmehr um das Schaffen neuer Formen, neuer Einsichten und neuer Begriffe – und eines neuen sozialen Miteinanders.

Shelly Sacks leitete im Rahmen der zur Verfügung stehenden Zeit eine Imagination an. Dabei lud sie die Teilnehmer der Tagung ein, aus Bildern der Vergangenheit und verschiedener Stationen des eigenen Lebens ein Zukunftsbild zu entwickeln.

Aufgabe war, geleitet durch Fragen wie „was sehe ich?“, „welche Atmosphäre fühle ich?“, „wie sieht mein Umfeld aus?“ und dem Weiterträumen des Bildes, sich selbst in der Zukunft zu sehen, sich jedoch kein Urteil über das Gesehene zu bilden. Dieses Bild schrieben die Teilnehmenden auf. Das Visualisieren der eigenen Zukunft symbolisiere dabei den eigenen Handlungsfreiraum, die eigene Freiheit zu leben und die Zukunft eigenmächtig zu bestimmen.

In einem nächsten Schritt tauschten die Teilnehmer der Tagung ihre Vision mit einem aktiv zuhörenden Partner aus.

Auch bei diesem aktiven Zuhören wurde die Imagination des Gesprächspartners nicht gewertet, sondern lediglich genau und aktiv nachvollzogen. Durch das Teilen der Imagination wurde ein neues Atelier zwischen den Menschen errichtet, in welchem Ideen entstehen und Zukunftsvisionen verwirklicht werden können.

Nach der Mittagspause ließ unser Moderator und ehemaliger Mitarbeiter des Instituts für Sozialorganik Daniel Pauw den Gong ertönen, um den Vortrag von Gerald Häfner anzukündigen.

Das Rechtsleben – Grammatik der Freiheit und Verhältnis von Mensch zu Mensch

Gerald Häfner, Leiter der Sektion für Sozialwissenschaften des Goetheanums, Gründungsmitglied von Bündnis90/Die Grünen, und ehemaliger Abgeordneter des EU-Parlaments, entwickelte in seinem Vortrag die Idee des Rechtslebens als Verhältnis von Mensch zu Mensch, das Menschen im Verhältnis zueinander hervorbringen, durch Vereinbarung und Vertrag.

Die konkrete Ausgestaltung des Rechtslebens sei kontingent und wandele sich durch stete Prozesse der Neuverhandlung und des Sich-Anpassens an neue äußere Umstände ständig.

Das Rechtsleben sei das mittlere Element zwischen Wirtschaftsleben und Geistesleben, also zwischen der sinnlichen, physischen Welt, wo unsere Bedürfnisse verortet sind, die physische Veränderung und Verwandlung der Welt, das Herstellen von Waren und Produkten und deren Vertrieb auf der einen Seite, und der kulturellen, geistigen Gedanken- und Ideenwelt, aus der wir unsere Imaginationen, Bilder, Impulse schöpfen und mithilfe derer wir Pläne und Ziele formulieren, auf der anderen Seite.

Da der Mensch sowohl ein freies als auch ein soziales Wesen sei, würden Freiheit und Brüderlichkeit einander bedingen und einander voraussetzen. Für Steiner stehe das Rechtsleben für die Gleichheit, die zwischen Freiheit und Brüderlichkeit vermittle. Die Gleichheit betrachtet Häfner als den Vermittler zwischen den beiden anderen Gliedern: hier würden sich die beiden anderen Pole gegenseitig durchdringen.

Historisch betrachtet waren Menschen immer nur mit dem gewordenen Rechtsleben konfrontiert. Es stellte zunächst eine göttliche, von außen an die Menschen gebrachte Ordnung dar. Diese Sichtweise zog sich lange durch die Geschichte, so waren auch europäische Herrscher stets Vollstrecker des Rechts von Gottes Gnaden.

Im Zuge der Demokratisierung der Gesellschaft durch die Aufklärung und demokratische Revolutionen wandelte sich dieses Verhältnis. Nun durfte jeder, seit 1918 in Deutschland auch jede, mitwählen und somit seiner Stimme Gehör verschaffen. Das Recht war nun nicht mehr etwas göttlich vorgegebenes, sondern etwas, das aus dem Aushandlungsprozess zwischen Menschen entstand. Es müsse immer wieder ein neues Fundament für das Rechtsleben geschaffen werden. Die Abwesenheit letzter Gründe wie Gott, Vernunft oder Geschichte dürfe nicht mit der Abwesenheit aller Gründe verwechselt werden. Dies müssen in der historischen Betrachtung bedacht und transparent gemacht werden.

Durch den demokratischen Wahlprozess verlagerte sich etwa die Ausgestaltung des Rechts auf wenige gewählte Volksvertreter. Für den einfachen Bürger war Recht somit wieder etwas von außen Gesetztes, dem man sich zu beugen hat, das man aber nicht aktiv mitgestaltet. Dem stellte Häfner ein Verständnis von Gesellschaft als sozialem Bewegungsbegriff entgegen, der nicht zuletzt auf sozialen Kämpfen basiert. Diese Kämpfe würden eine endgültige Fixierung des Sozialen verunmöglichen. Jede soziale Ordnung könnte auch anders strukturiert sein.

Für Rudolf Steiner muss das Rechtsleben auf das Ideal der Gleichheit rekurrieren. Das Rechtsleben stellt für ihn etwas Dynamisches dar, einen gemeinsamen menschlichen Entwicklungsweg auf welchem Recht immer neu hervorgebracht wird. Eine endgültige und objektive Fixierung sei nicht möglich. Nichts sei absolut gesetzt und unabänderlich.

Als Rudolf Steiner 1919 die Idee des sozialen Organismus formulierte, entwickelte er damit einen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus. Während der Kapitalismus auf Egoismus und Eigennutz basiert und damit auf das Ideal der Freiheit gemäß der Französischen Revolution rekurriert, basiert der Kommunismus auf Kollektivität und rekurriert auf das Ideal der Brüderlichkeit.

Häfner stellte so die Frage, ob unser gesellschaftliches und politisches System in seiner festgeschriebenen Statik, dem dynamischen Rechtsbegriff Steiners gerecht werden kann. Häfner stellte dem die Möglichkeit zu Partizipation und zur direkten Demokratie als dynamischere und für die heutige Zeit passendere Alternative gegenüber.

Praktische Perspektive gab es dann am Nachmittag in den Workshops.

Manon Haccius: Schöpferisch im Alltag – wie geht das mit der Ideenfähigkeit?

Gemeinsam mit den Teilnehmer*innen des Workshops wurde im Gespräch erkundet, wie man die  Ideenfähigkeit, die eigene Kreativität und Lösungskompetenz stärken kann in Zeiten, in denen Algorithmen unser Verhalten immer präziser vorherzusagen versuchen und dadurch Zufall, Überraschung und Neues weniger wahrscheinlich machen.

Oliver Groß und Gerhard Heid (Sonett): Dreigliederung im Wirtschaftsleben – das Unternehmen Sonett als sozialer Organismus

Im Workshop von Sonett ging es um die Frage nach dem Lebendigen. Was macht einen lebendigen Organismus aus? Wo beginnt die Organik und wo endet die Organisation?

Wachstum in Organisationen müsse organisch bleiben. Wachse ein Unternehmen sehr stark, müssten Konflikte bewusst und offen angegangen werden. Es sei sehr wichtig, nach Lösungen zu suchen. Eine partnerschaftliche Führung könne dabei helfen.

Prof. Dr. Götz Rehn (Alnatura): Alnatura – ein Erfahrungsbericht aus sozialorganischer Perspektive

In seinem Workshop stellte Prof. Dr. Götz Rehn das Alnatura Modell vor. Bei Alnatura werden neue Formen der Zusammenarbeit erprobt. New Work Räume wie das Citizen Office, Open Space und eine neue Eigentumsform, das Verantwortungseigentum, bilden den Rahmen dafür.

Philipp Hummel (Unternehmensberatung für Sozialorganik): Von Wertbildung zur Wertschätzung – Dreigliederung im Wirtschaftsleben und das Modell der Wertbildungsrechnung

In seinem Workshop „Von Wertbildung zur Wertschätzung – Dreigliederung im Wirtschaftsleben und das Modell der Wertbildungsrechnung“ schaute Philipp Hummel auf die Funktionsweise des Wirtschaftslebens und diskutierte, wie wir wirtschaftliche Prozesse im Unternehmen so abbilden können, dass alle Mitarbeitenden sinnvolle Entscheidungen im Einklang mit der Vision des Unternehmens und dem Gemeinwohl treffen können. Dazu stellte er das Modell der Wertbildungsrechnung vor und diskutierte mit den Teilnehmern Praxisbeispiele.

Inga Ketels (Institut für Sozialorganik) und Jannik Kaiser (Unity Effect): Resonanzverhältnisse im Spannungsfeld von Individuum, Gemeinschaft und Gesellschaft

Ob auf der Arbeit oder privat: in unserem Alltag agieren wir mit- und reagieren aufeinander. Wir gehen also Resonanzverhältnisse mit anderen Menschen und unserer Umwelt ein.

In einer schnelllebigen Welt ist es jedoch eine Herausforderung, diese bewusst zu gestalten. Vielmehr kommt es nicht selten zu Spannungen, z.B. bei Zeitdruck oder Anforderungen von außen.

In ihrem Workshop setzten sich Inga Ketels und Jannik Kaiser deshalb intensiver mit dem Begriff der Resonanz auseinander.

In welchen Resonanzverhältnissen stehe ich? Welche Herausforderungen gibt es dabei, diese bewusst zu gestalten? Und wie können wir Qualität und Tiefe in unsere Verbindungen bringen? Dies wurde mit verschiedenen Übungen auch praktisch erlebbar gemacht.

Gerald Häfner (Goetheanum) : Die Bedeutung des Rechtslebens für die Gestaltung der Zukunft

In seinem Workshop diskutierte Gerald Häfner Partizipation und direkte Demokratie als Mittel um den ständigen Wandel des Rechtslebens zu gestalten.

Das Rechtsleben müsse sich als Waage zwischen den anderen Gliedern ständig wandeln, da sich auch die anderen Glieder wandeln. Diesen Wandel bekämen heute wenige Gesellschaften hin. Weiterentwicklung der parlamentarischen Demokratie wäre nötig, um Symptome wie Politikverdrossenheit, Unzufriedenheit mit der Politik, Rechtsruck u.ä. zu adressieren.

Auch für ein funktionierendes Wirtschafts- und Geistesleben sei ein sich wandelndes Rechtsleben nötig, da es sich an die Innovationen und Entwicklung anpassen muss, um nicht zu behindern. In der Gesellschaft gäbe es jedoch Widerstände gegenüber basisdemokratischen Entscheidungsverfahren, die größtenteils auf der Angst vor Machtverlust und der Abschaffung von Hierarchien beruhten.

Abgerundet wurde die Tagung durch eine Podiumsdiskussion mit den Referenten und den Workshop- Gebern, bei der über zuvor von allen Teilnehmern gemeinsam erarbeitete Fragen diskutiert wurde.  

Es folgt eine Synthese der in der Diskussion geäußerten Ansichten:

Wie können wir gemeinsam Zukunftslabore entwickeln?

Es wurde auf dem Podium die Idee eines Zukunftslabors diskutiert, wie es Shelley Sacks bereits mit dem Earth Forum und der University of Trees ins Leben gerufen hat. Dahinter steht die Idee einer Art permanenter Konferenz, mit deren Hilfe Austausch möglich wird.  Was brauchen wir, um eine direkte Demokratie mehr in Gang zu bringen?

Bietet die Klimabewegung eine Chance für ein neues Menschen- und Weltbild?

Die Erde wurde allzu lang als ein vorhandenes, zu nutzendes, auszubeutendes Objekt betrachtet, doch man kann mittlerweile zu nichts mehr ein rein beherrschendes Verhältnis haben.

Derzeit hat sich ein Fenster der Öffnung aufgetan: Die Klimabewegung ist ein Ereignis, das auf das Kommende verweist. Die heutigen Klimaaktivisten drängen ins Tun und zur gesamtgesellschaftlichen Veränderung, während in den 80er Jahren eher debattiert wurde und nach einem Verständnis der Zusammenhänge gerungen wurde und später Lösungen auf individueller Ebene gefunden wurden (z.B. der Aufbau von Waldorfschulen). Die jungen Leute sind immer schon weiter als die Generationen vor ihnen; das Wissen der Vergangenheit ist nur Material zur Schulung der eigenen Perspektive und zum Anstoßen der eigenen Initiative.

Der starke (Handlungs-) Wille von Greta Thunberg braucht aber natürlich auch Gedanken, gute Gedanken müssen entwickelt werden, Ideen mit Wirkkraft.

Ein neues Menschenbild erfordert auch einen mutigen Blick nach innen: Wie ist mein inneres Klima?

Wie können wir einen globalen Wertekanon schaffen?

Der Mensch verhält sich diesem Planeten gegenüber nicht nur als reiner Parasit, als Störfaktor, sondern auch als Gestalter von Welt. Als solcher trägt er eine große Verantwortung. Er sollte sich selbst dabei nicht allzu ernst nehmen und alles auf sich beziehen, sondern Abstand von diesem anthropozentrischen Weltbild gewinnen und andere Spezies und den Planeten als solchen in den Blick nehmen. Nicht alles muss immer auf den Menschen als Mensch bezogen werden.

Zu einem neuen Wertekanon zählt also auf jeden Fall Selbstzurücknahme, Bescheidenheit, Demut, Verantwortungsbewusstsein.

Es sollte eine Haltungswechsel stattfinden. Jeder sollte sich fragen: „Was kann ich dazu beitragen, dass die Welt glücklicher und besser wird?“, „Wo kann ich mich einbringen?“,  und „Wo werde ich gebraucht?“

Wie kann man die Energie von heute nutzen, um mehr Balance zwischen den drei Gliedern des sozialen Organismus herzustellen?

An dem Ort, an dem man lebt, kann man sich so in die Gemeinschaft einbringen, dass das Wohl aller vergrößert wird. Dabei kommt es auf ein Gleichgewicht zwischen Ideenbildung und Willensbildung an. Denken und Tun also. Sonst verpufft der Impuls, die Energie. Es ist ein ständiges Üben. Nicht nur das Privatleben, sondern auch die Arbeitswelt, ist hier ein wichtiges Übungsfeld. Hier können neue Formen der Zusammenarbeit geübt werden.

Menschen haben oft das Gefühl, keine Energie zu haben, sie denken, sie würden ohne Ende Energie verbrauchen. Was sie weniger sehen ist, dass Menschen auch eine unglaubliche Energie erzeugen – vor allem dann, wenn sie mit einem gemeinsamen Ziel zusammen kommen. Wir erzeugen in und zwischen uns Energie durch unser Denken, Fühlen und Wollen.

Zuletzt erfolgte noch die Einladung von Jannik Kaiser, sich einen Moment zu gönnen, um die Energie des Raumes in sich aufzunehmen, sich den Sitznachbarn anzusehen, sich im Raum umzuschauen, und zu schauen, ob es hier nicht noch den einen oder die andere gibt, mit der man nochmal sprechen will, und vielleicht auch später etwas zusammen machen will, vielleicht eine neue Form der sozialen Praxis erproben, politisch etwas auf die Beine zu stellen, eine Initiative zu ergreifen…

Auf der Jahrestagung des Instituts für Sozialorganik wurde deutlich, dass Gesellschaft als „gährender, keimender, treibender Inhalt“ des Staates,  und als „die lebendige Materie, die ewig die Form aus sich gebiert“, wie es der Hegel-Schüler Moritz Veit  1840 so treffend formuliert hat, niemals stillstehen kann, sondern permanentem Wandel unterworfen ist.

Alle sozialen Verhältnisse sind veränderbar und neue Formen des Miteinanders müssen durch stete Verhandlung immer wieder neu geschaffen werden.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen Mitgestaltern für die spannende Konferenz und für das schöne und angenehme Miteinander und hoffen, Sie auch im kommenden Jahr wieder auf unserer Jahrestagung begrüßen zu dürfen!

Herzlichen Dank auch an Janine Hesse und Hannah Jaspert für die schönen Fotos!


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